Rostock: Spannende interreligiöse Gespräche über Kunst
Rostock [ENA] Kunst macht nachdenklich und löst die verschiedensten Emotionen und Gedanken aus. Wie Kunst unter Referenten verschiedener Religionen gesehen wird und wie die Reaktionen der Besucher ausfielen, zeigte ein gelungenes Projekt der Kunsthalle Rostock im Rahmen der Ausstellung Review Ostsee- Biennale.
Die Kunsthistorikerin Marion Koch aus Hamburg hatte vor 16 Jahren die Idee der Veranstaltungsreihe "Kunst im Interreligiösen Dialog", wofür sie im Jahr 2014 den BKM Preis Kulturelle Bildung erhielt. Erstmals veranstaltete die Kunsthalle Rostock diesen spannenden, weltoffenen Dialog mit drei Referenten. Yuriy Kadnykov, Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinden in Meckl. -Vorpommern stellte im lockeren Gespräch an drei ausgewählten Installationen seine Sichtweise den Ansichten von Dr. Ahmed Maher Fakkhouri - Sprecher des Islamischen Bundes Rostock- gegenüber. Den Besuchern gefiel, wie gerade diese beiden Referenten bei der angespannten politischen Lage in Nahost einander zugewandt diskutierten. Dr. Maria Pulkenat vervollständigte die Runde.
Marion Koch dankte den Besuchern bei ihrer Begrüßung. Die Aktualität und die Wichtigkeit des interreligiösen Projektes nähmen zu. Ermunternd erklärte sie die Teilnehmer zum Experten, der seine Sicht der Kunstwahrnehmung frei und entschlossen kommunizieren solle. Es zahlte sich aus. Bereits beim ersten Projekt "Justice" von Maciej Aleksandrowicz entwickelt sich eine rege Aussprache zwischen den Referenten und ihren Zuhörern. Das Kunstobjekt fällt ins Auge. Im Mittelpunkt eines dreieckigen Aluminiumgerüstes hängt eine verzweigte, kompliziert vertrocknete Wurzel. Darunter ein kleines Feld ausgetrockneter Erde. An den Ecken baumeln verrostete Benzinkanister. Die Sichtweise der Religionsvertreter ermuntert das Publikum. Dynamik folgt.
Yuri Kadnykov denkt bei Gerechtigkeit an Verteilung. Beim Titel Gerechtigkeit müsse man Fragezeichen setzen. Der Künstler selbst: Justice könne man sowohl aus der Perspektive des Einzelnen betrachten, als auch aus der des gesamten Ökosystems unseres Planeten. Menschengesetze seien keine Naturgesetze. Der Fürsprecher des Islam setzte sein Augenmerk auf den Umweltschutz. Der Baum spiele eine große Rolle, ebenso die Verwurzelungen. Andere reagierten auf die Alukonstruktion. Aluminium sei das weitest verbreitete Element. Die Moderatorin : Der Baum sei wichtig für Stabilität. Es ist nicht egal, was an den Seilen hänge. Kanister? Alles wirtschaftliche Interessen. Jetzt wirft eine ältere Dame ein. Krieg, Israel, Ukraine seien ihre Gedanken.
Die Gesprächsrunde nimmt Fahrt auf. Dr. Pulkenat fragt, ob wir allem gerecht würden, wenn wir alles zurechtbögen. Die biblische Erzählung vom brennenden Dornbusch steht im Raum. Und Marion Koch mahnt, auch Wurzeln seien Schöpfungen Gottes. Sie seien in Gefahr. An allen Ecken werde gezerrt und gezogen. Beitrag einer Dame, das Wort Gottes schwebe über allem und halte alles im Gleichgewicht. Schon jetzt ist das Ziel erreicht. Eine offene, lebendige Diskussion ohne Reibung und Spannungen. Die zweite Installation von Svirnelis "Knackig - glänzende" ist ein Objekt aus simpler goldener Rettungsfolie. Es kommt in Schwingungen und bläst sich durch Publikumsbegegnungen auf.
Dr. Ahmed Maher Fakhouri kommentiert "aufgeblasen, innen leer". Man könne doch auch ein bisschen Spaß haben, frohlockt es aus dem Publikum. Für Dr. Maria Pulkenat ist der erste Eindruck gewaltig. Blicke gehen auf Glanz und wir sehen alt aus. Der Landesrabbiner kommentiert Bescheidenheit gehe gegen Alles. Wieviel Energie brauche es, um Alles aufzublasen. Sein Fazit: Zwischen beeindruckend und lächerlich. Marion Koch argumentiert mit dem Wert. Der Wert des Menschen? Sie wollen nach außen glänzen. Der Wert der Folie ? Peanuts. Der Wert der Installation - lebendiger Austausch.
Den Abschluss bildet die Videoinstallation "A other Teenager" von A K Dolven. Das Format ist extrem. Auf 16 Metern Länge liegen 20 Menschen, zumeist gut gekleidet, die Köpfe nach links und die Füße nach rechts. Nur eine Person schaut die erstaunten Gäste an. Es ist ein Mädchen im Teenageralter. Der Blick geht aber auf eine andere junge Frau, die sich wie eine Schnecke teilweise über und unter die Menschen bewegt, bis sie den rechten Bildrand verlässt. Lebendige Steine, sieht Dr.Maria Pulkenat .Gleichgültigkeit. Mit den Berührungen passiert nichts. Das Wort Gemeinschaft wird eingeworfen. Wer gehört dazu? Wer definiert das? Andere äußern gefahrvoll, schrecklich. Ein gelungenes Projekt. Ein Zeichen, dass Austausch hilft. Die Hoffnung wächst.